Effizienzen im Netzgeschäft
Möglich oder zwingend notwendig?
Die Energiewende mit all ihren Facetten bringt Netzbetreiber an ihre Grenzen. Der Ausbau der Netze, der Rollout intelligenter Messsysteme und die volatile Einspeisung durch erneuerbare Energien führen zu wachsenden Komplexitäten. Gleichzeitig fehlen vielerorts Fachkräfte bei steigenden Investitionsanforderungen. Und während der Fokus oft auf Strom- und Gasnetzen liegt, geraten andere Bereiche wie Wasser, Abwasser oder Telekommunikation zunehmend und zu Unrecht in den Hintergrund. Doch wie können unter diesen herausfordernden Rahmenbedingungen strukturiert Effizienzen bei Infrastrukturbetreibern realisiert werden?
In diesem Beitrag erfahren Sie,
- wie Effizienz heute verstanden werden sollte,
- welche übergeordneten Handlungsfelder sich für mehr Effizienz im Netzbetrieb bewährt haben,
-
welche konkreten Maßnahmen notwendig sind, um diese Effizienzpotenziale wirksam und nachhaltig zu erschließen
Ein modernes Verständnis von Effizienz
Beginnen wir zunächst einmal damit, dem Begriff „Effizienz“ ein moderneres Bild zu geben.
Per Definition beschreibt Effizienz das Verhältnis von eingesetzten Mitteln bzw. Ressourcen zu dem, was damit erreicht wird.
In der Vergangenheit, insbesondere in den Anfängen der Anreizregulierung, lag der Fokus auf den eingesetzten Mitteln. Es ging darum, Kosten zu senken und Ressourcen zu minimieren.
Heute haben sich die Rahmenbedingungen deutlich verändert. Die Energiewende, der Fachkräftemangel und wachsende Investitionsanforderungen stellen Netzbetreiber vor die Herausforderung, mit begrenzten Ressourcen möglichst viel Wirkung zu erzielen.
Effizienz bedeutet daher nicht mehr, möglichst viel Ressourceneinsatz zu streichen. Es bedeutet, mit dem, was vorhanden ist, ein möglichst gutes Ergebnis zu erreichen. Im Mittelpunkt steht also nicht die Reduktion von Aufwänden, sondern die Steigerung des Outputs bzw. Arbeitsergebnisses.
Daher die erste wichtige Erkenntnis: Effizienz sollte nicht mit Arbeitsplatzabbau gleichgesetzt werden. Diese Sorge ist in vielen Organisationen nach wie vor spürbar und führt oft zu innerem Widerstand. Entscheidend ist es, den Mitarbeitenden zu vermitteln, dass Effizienz ein notwendiger Schritt ist, um auch zukünftig handlungsfähig zu bleiben.
Drei Handlungsfelder für mehr Effizienz im Netzbetrieb
Effizienz im Netzgeschäft lässt sich nicht auf einzelne Maßnahmen reduzieren. Entscheidend ist ein strukturiertes Vorgehen entlang zentraler Handlungsfelder.
In der Praxis haben sich drei übergeordnete Handlungsfelder bewährt, um Effizienzpotenziale wirksam und nachhaltig zu erschließen:
-
Die Verbesserung der Geschäftsprozesse
-
Die Zusammenarbeit mit internen und externen Beteiligten
-
Der gezielte Einsatz von Technologie
Handlungsfeld 1:
Die Verbesserung der Geschäftsprozesse
End-to-End Anschlussprozesse digitalisieren
Im Jahr 2024 veröffentlichte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) den Leitfaden zur Beschleunigung von Netzanschlüssen in der Niederspannung. Ein wichtiger Schritt in Richtung Standardisierung und Verkürzung der Prozesse.
Wer die Empfehlungen umsetzt, z. B. durch digitale Kunden- und Installateursschnittstellen, softwaregestützte Netzverträglichkeitsprüfungen und automatisierte Messkonzeptfindung, kann:
-
Durchlaufzeiten stark verkürzen
-
Datenqualität signifikant erhöhen
-
Manuelle Eingriffe auf das Notwendigste minimieren
Assets spartenübergreifend effizient bauen
- der Einsatz eines KI-gestützten Asset Managements,
- ein übergreifendes Projektportfolio-Management sowie
- die spartenübergreifende Koordination und Umsetzung von Bauprojekten.
Zusätzlich braucht es Flexibilität bei der Entscheidung zwischen Eigen- und Fremdleistungen – ein Aspekt, der in der Praxis oft zu Engpässen oder unnötigen Kosten führt.
Automation und KI-Lösungen in Kundenservice- und Marktprozessen nutzen
Neben den technischen Prozessen gibt es eine Vielzahl an kaufmännischen Abläufen, die entweder firmenintern oder im Zusammenspiel mit Marktpartnern (über die Marktkommunikation) abgewickelt werden. Bestellprozesse, Energiedatenmanagement, Stammdaten- oder Messwertprozesse sind hier nur einige Beispiele. Darüber hinaus wird der Kundenservice aufgrund steigender Anschlussanfragen oder dem Smart Meter Rollout immer wichtiger.
Moderne ERP-, Abrechnungssysteme, CRM-Software und andere Systemkomponenten bieten neue Potenziale und ermöglichen:
- effizientere Klickstrecken (sogenannte „Journeys“),
- verbesserte User Experience (UX),
- Monitoring-Funktionen,
- robotergestützte Prozessautomatisierung (RPA) und
- KI-Anwendungsfälle.
Auch hier ergeben sich dadurch geringere Aussteuerungsquoten, kürzere Durchlauf- bzw. Antwortzeiten sowie qualitativ hochwertigere Datenbestände.
Handlungsfeld 2:
Die Zusammenarbeit mit internen und externen Beteiligten
Integration von Dienstleistern, Behörden und Bauträgern digitalisieren
Die wenigsten Investitions- und Betriebsaufgaben können durch die Netzbetreiber autark bewerkstelligt werden. Einerseits existieren bspw. prozessuale Schnittstellen zu Ämtern zur Einholung von Genehmigungen. Andererseits übernehmen Dienstleister Tiefbau- oder Montagearbeiten.
Jene prozessualen Schnittstellen müssen durch IT-technische Möglichkeiten unterstützt werden. Dazu gehören Portallösungen ebenso wie Integrationskonzepte für externe Partner – etwa im Auftragsmanagement, in der Materialwirtschaft oder bei Leistungserfassung und -abrechnung.
Auch sogenannte „Bring-your-own-device“-Ansätze gewinnen an Bedeutung. Dabei werden mobile Endgeräte von externen Partnern sicher in bestehende Netzwerke oder Systeme eingebunden.
Workforce Management konsequent umsetzen
Das Thema Workforce Management beschäftigt sowohl große Flächennetzbetreiber als auch regionale oder kommunale Unternehmen seit Jahren. Im Netzbetrieb geht es immer mehr darum, die vorhandenen Kapazitäten bestmöglich einzusetzen und dabei digitale Unterstützung zu bieten. Dazu zählen unter anderem eine strukturierte Arbeitsvorbereitung, eine (routenoptimierte) Disposition sowie die Erfassung von Zuständen im Feld, deren Daten dann wiederum gewinnbringend bspw. im Asset Management eingesetzt werden können.
Unsere Projekterfahrung zeigt: Es handelt sich nicht nur um eine IT-technische Veränderung. Entscheidend ist vor allem die vorgelagerte Verbesserung der Geschäftsprozesse sowie die konsequente organisatorische Verankerung des Workforce-Management-Ansatzes.
Sind diese Grundlagen gelegt, lassen sich zusätzlich Standortkonzepte verbessern sowie Lager- und Logistikoptimierungen durchführen. Und zu guter Letzt ermöglicht Workforce Management eine Verbesserung der Arbeitsmodelle.
Handlungsfeld 3:
Der gezielte Einsatz von Technologie
Intelligente Netze & OT-Infrastruktur ausbauen
Ergänzend zu den IT-spezifischen Aktivitäten müssen die Netze und Anlagen deutscher Infrastrukturbetreiber auch bei der Operationstechnologie (OT) weiterentwickelt werden. Entscheidend ist hier eine zielgerichtete Ausstattung mit Sensorik und Aktorik in der richtigen Anzahl und Qualität.
Ebenso wichtig ist es, die erfassten Daten intelligent auszuwerten, zu interpretieren und daraus Maßnahmen abzuleiten. Nur so lassen sich der Betrieb und der Ausbau von Netzinfrastrukturen effizient steuern.
Modernes Wissensmanagement etablieren
Ein weiterer Effizienzhebel, der gerade in Zeiten des demografischen Wandels und Fachkräftemangels immer wichtiger wird, ist der strukturierte Umgang mit Wissen.
Fazit: Effizient ist heute keine Option, sondern Voraussetzung
Die Herausforderungen der Energiewende, des demografischen Wandels und der Digitalisierung verlangen von Infrastrukturbetreibern ein radikales Umdenken.
Anstelle klassischer Effizienzdefinitionen braucht es heute ein modernes Verständnis welches darauf abzielt, mit den begrenzten Mitteln mehr Wirkung zu erzielen.
Effizienz bedeutet heute nicht Einsparung um jeden Preis, sondern die intelligente Nutzung vorhandener Ressourcen – menschlich, technisch und organisatorisch.
Die in diesem Beitrag aufgezeigten Hebel wie automatisierte Anschlussprozesse, spartenübergreifende Baukoordination, KI-gestützte Kundenservices und modernem Wissensmanagement zeigen: Effizienz ist nicht nur möglich, sondern zwingend notwendig. Sie ist kein Selbstzweck, sondern Voraussetzung für eine erfolgreiche, resiliente und zukunftsfähige Infrastruktur.
Jetzt kommt es darauf an, diese Potenziale entschlossen zu nutzen. Es braucht Veränderungsbereitschaft, Offenheit für neue Technologien und ein klares Bekenntnis zur Zusammenarbeit über alle Sparten und Akteure hinweg.

MARKUS KRAMBS
Partner von FourManagement
„Seit meinem Einstieg in die Energiewirtschaft agiere ich hauptsächlich mit Infrastrukturbetreibern (ÜNB, VNB und MSB). Bei meinen Stationen in der Linie, der IT- und nun in der Strategieberatung habe ich u.a. mit der (Weiter-) Entwicklung von Prozessen sowie IT-Systemen zu tun. Sie sind notwendig, um die Herausforderungen der Energiewende einfach, effizient und attraktiv für Kunden sowie Mitarbeitende zu meistern. Aufgrund der Veränderungsgeschwindigkeiten und wachsenden Anforderungen ist es meines Erachtens immer wichtiger, diesen rasanten Entwicklungen einen Rahmen im Sinne einer IT-Strategie zu geben, ohne allzu sehr einzuschränken.“
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