Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. In Zeiten des Fachkräftemangels wird es erst recht keine begabten Mitarbeiter regnen. (Das wäre auch sehr schmerzhaft.) Unternehmen müssen sich selbst um die Qualifikation ihres Personals kümmern, um sich ihre Handlungsfähigkeit zu erhalten. Über ein systematisches Talentmanagement gelingt es, Potenziale im Unternehmen zu identifizieren und zu fördern. Damit sinkt zugleich das Abwanderungsrisiko.
Das Neue Testament prägt unsere Vorstellung von Talenten: Ein Herr vertraut sie seinen Dienern an und misst sie schließlich daran, was sie aus den Silbermünzen gemacht haben. Bis heute steht das angeborene Talent hoch im Kurs. Das zeigt ein Experiment, das Harvard-Wissenschaftler vor einigen Jahren durchführten: Sie ließen über hundert ausgebildete Musiker zwei Stücke hören, die ein Interpret eingespielt hatte. Die Forscher gaben vor, die Aufnahmen seien von unterschiedlichen Nachwuchskünstlern: das eine von einem besonders fleißigen Musiker, das andere von einem Naturtalent. Die Einspielung des angeblich Hochbegabten schnitt bei den Fachkollegen deutlich besser ab.
Adrian Ritz und Norbert Thom definieren Talente in ihrem Standardwerk zum Thema als „vergleichsweise knappe, stark nachgefragte und für die Organisation zentrale Schlüsselkompetenzen“. Unterschieden wird zwischen einer inklusiven und einer exklusiven Talentdefinition: Gehen Unternehmen inklusiv vor, fördern sie Mitarbeiter auf allen Ebenen, um von den Entwicklungspotenzialen aller zu profitieren. Der Gedanke dahinter: Alle haben Talente. Aufgabe von HR ist es, die Begabungen zu erkennen und Mitarbeiter in die Lage zu versetzen, sie im Unternehmen einzubringen.
Der exklusive und in der Wirtschaft weiter verbreitete Ansatz konzentriert sich auf wenige Talente mit einem exzellenten Input – bestehend aus Potenzial, Fähigkeiten und Leistungs- beziehungsweise Entwicklungsbereitschaft - sowie herausragendem Output in Form von Performance. Unternehmen gehen hierarchisch vor und fördern primär Führungskräfte. Sie segmentieren die Mitarbeiter nach Potenzial. Oder sie suchen gezielt nach Schlüsselqualifikation, um die Belegschaft strategisch weiterzuentwickeln.
Wer planvoll vorgeht und das Talentmanagement langfristig angeht, hat gute Chancen, den Anforderungen der Zukunft mit einer gut aufgestellten Belegschaft zu begegnen. Dafür muss im ersten Schritt aber die Frage beantwortet sein, wer überhaupt ein Talent ist. Was wird gesucht und welche Positionen sind in Zukunft erfolgskritisch? Kann jeder die Rolle ausüben oder braucht es einige wenige mit besonderem Talent?
Nach der Talentdefinition gilt es, den Personalbedarf zu ermitteln und zu erkennen, wo Engpässe auftreten könnten. Im Anschluss daran werden die Potenzialträger im Unternehmen identifiziert. Um für den Fall der Fälle vorzusorgen, in denen der Bedarf so nicht gedeckt werden kann, gehört auch der Aufbau einer starken Arbeitgebermarke und die Suche nach externen Talenten zum Talentmanagement. Der mehrstufige Prozess lässt sich mit einem digitalen (Recruiting-) Funnel übrigens fantastisch automatisieren. So gehen die Beteiligten effizient vor, stimmen ihre Maßnahmen aufeinander ab und steigern die Qualität, da sie nichts dem Zufall überlassen.
Zentral ist es, die Talente zu führen, zu fördern und zu entwickeln.
Dazu setzen die Unternehmen Entwicklungsprogramme auf, die bei dem individuellen Mitarbeiter ansetzen. Haben sie diese erfolgreich absolviert, sollten sie motiviert werden, in Alumni-Netzwerken, als Mentoren oder als „Buddys“ für ihre Kollegen selbst zu Talentförderern zu werden. Last but not least lohnt sich die Investition in Talente nur, wenn diese langfristig gebunden werden können. Ein gutes Arbeitsklima, motivierende Anreize und eine überzeugende Entwicklungsperspektive sichern den Erfolg des Programms. Weshalb dazu nicht auch die eingangs erwähnten Naturtalente einbeziehen? Karten für ein schönes Konzert können durchaus motivieren. Ob WDR-Rundfunkorchester, Taylor Swift oder Kontra K, hängt von dem jeweiligen High Potential ab.